Das große Unbekannte
“At one point, I thought life was about acquiring things. Life is totally about losing everything.”
Kurze Gedanken: Tyson spricht in diesem Zitat davon, wie wir im Laufe des Lebens Verluste erfahren.
Wir verlieren Haare, Zähne, Freunde und Angehörige, Träume und vieles mehr. Es geht ihm darum diese Verluste zu überwinden und zu kämpfen.
Ich reibe mich stets an diesem Zitat. Ja, es mag um Niederlagen und Verluste gehen, dennoch ist mein Framing ein anderes. Ich sehe weniger Verluste als Veränderungen. Und in jeder Niederlage und jedem Verlust steckt auch ein Gewinn. Wir summieren stets Erfahrung auf Erfahrung und gewinnen immer wieder an Möglichkeiten unser Verhalten anzupassen.
Es geht aber auch um die Befähigung des Loslassens. Diese Begrifflichkeit erscheint mir oft herausfordernd. Assoziativ erinnert es eher an ein Gefühl des Loslassens, um dann zu fallen oder etwas zu verlieren. Ich spreche lieber davon mich „von etwas zu befreien“. Assoziativ entspricht dieses Bild für mich eher einem Gefühl von Leichtigkeit oder Ermächtigung. Genauso gut funktioniert für mich der Ersatz mit „ich entwickle mich zu xy.“ oder „Ich wachse in Bereich xy.“.
Sprachlich thematisieren wir dieses Feld immer wieder. Wenn wir nachtragend sind, nehmen wir eine Last auf uns, um sie jemandem hinterherzutragen. Wenn wir unbeschwert durchs Leben gehen, fühlen wir förmlich wie wir eine Last von den Schultern „verlieren“.
Und ja, einen großen Teil des Lebens verbringen wir damit Dinge anzuhäufen, Titel und Statussymbole unterschiedlichster Art zu erwerben. Bis zuletzt bleibt die Frage: Habe ich die Dinge, oder haben die Dinge mich? Unweigerlich müssen wir Menschen uns, früher oder später, mit dem Verlieren, dem Verlust auseinandersetzen- und sei es erst im Angesicht des eigenen Todes.
Diese Gedanken machen viel mit mir. Das große Unbekannte kann Angst machen. Es kann gleichzeitig sehr viel im Alltag relativieren, was erleichtern kann. Es kann dazu animieren sich, in der Auseinandersetzung mit sich selbst, vertrauter zu werden und so Sicherheit im eigenen Selbst zu finden. Sicherheit, die über materielles, soziales oder romantisches hinausgeht.
Und nachdem ich diese gedanklichen kleinen Schleifen gedreht habe, möchte ich Tyson zustimmen: Life is about losing. Gleichzeitig entwickeln wir uns in jeder atmenden Sekunde, gleichzeitig sind vermeintliche Verluste so große Gewinne, so angefüllt mit Potenzial. Wir kommen nicht umhin ein Mehr zu generieren. Ich kann heute und für mich nur zu dem Schluss kommen, dass hier eine Ambiguitätstoleranz vorliegt, die man genießen kann, aber aushalten muss.